WegBegleiter

Ethnologie als Inspiration

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen - Inspiration wofür?

Als WegBegleiterin lautet meine Antwort: Ethnologie kann Inspiration im Sinne von Ideen und Instrumenten zur theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit dem Seelenweg bieten. Klingt allgemein und trocken, gleichwohl ist damit alles gesagt. Einige vertiefende Ausführungen scheinen wohl dennoch angebracht. Beginnen wir mit dem Gegenstand der ethnologischen Wissenschaft – den fremden Kulturen, wobei es natürlich immer auch um ein Verständnis der eigenen Kultur geht.

Kultur, Ethnologie und die Sinnfrage

In der Ethnologie wird von der Grundannahme ausgegangen, dass die Spezies des Homo sapiens nicht nur biologische, sondern auch soziale und kulturelle Bedürfnisse hat. Welche Kultur im Sinne einer bestimmten Lebensweise sich innerhalb einer Gemeinschaft entwickelt, hängt zunächst einmal von der Umwelt ab. Darüber hinaus werden Normen, Werte, Verhaltensweisen sowie Routinen ausgehandelt. Alles das, was eine Kultur ausmacht, ist nicht statisch, sondern unterliegt einem stetigen Wandel.
Als wissenschaftliche Disziplin gliedert sich die Ethnologie in Arbeitsbereiche, die sich den gesellschaftlichen Teilbereichen widmen. Dieser Kanon etablierte sich in der Anfangszeit der modernen Ethnologie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Festgelegt wurden die Bereiche, über die der Ethnologe in seiner Feldforschung vor Ort etwas herausfinden sollte. Wer im Fach ernst genommen werden wollte, musste eine längere Zeit bei einem fremden exotischen Volk leben. Der junge Forscher war aufgerufen, fühlte sich auch berufen, den Alltag der Fremden nicht nur kennenzulernen, sondern zu begreifen.
Etwas vereinfacht dargestellt: Erwartet wurden Kenntnisse über Wirtschaftsweise, Sozialstruktur, Recht und Politik, Weltauffassung und Religion.
Gerade in der Subdisziplin der Ethnologie der Weltauffassung geht es um die Frage nach der kollektiven Sinnstiftung.

Weltbilder

Zu allen Zeiten haben sich Menschen in allen Kulturen grundlegende Fragen gestellt und sie tun es noch. Was ist der Sinn des Lebens? Wie ist die Stellung des Menschen im Gefüge der Welt? Was ist Wirklichkeit? Höhere Wesen, die nicht sichtbare geistige Welt und das Leben nach dem Tod kommen ins Spiel. Letztendlich geht es um Sinnstiftung und Verortung in der Welt. Nur dann scheint ein erfülltes, ein gutes Leben möglich.
In allen Kulturen gelangten und gelangen Menschen zu einer Weltauffassung, die in ein bestimmtes Weltbild mündet. Dabei handelt es sich um ein Modell, das mal mehr, mal weniger dem Wandel unterliegt. Bei den Germanen beispielsweise stand die Weltenesche Yggdrasil im Zentrum. In ihrem Geäst waren die unterschiedlichen Welten, sichtbare und unsichtbare oder auch physische und geistige, verankert. Grundlegende Annahmen zum Weltbild einer Gemeinschaft finden sich in philosophischen und religiösen Texten, aber auch in Sagen, Märchen und der gesamten Mythologie.
Was all die unterschiedlichen Weltbilder, frühere und moderne, westliche und östliche, religiös dominierte und weniger religiöse, eint, ist das, was Sozial- und Kulturwissenschaftler Ethnozentrismus nennen. Jede Gemeinschaft nimmt ihr Weltbild und die darauf basierenden Werten natürlich als das Maß aller Dinge.
Wie auch immer – wir können nicht umhin, festzustellen, dass der Homo sapiens offensichtlich auch spirituelle Bedürfnisse hat. Ich behaupte, es gibt so etwas wie eine Grundspiritualität unserer Spezies. Man könnte es auch so ausdrücken: Die Grundspiritualität des Homo sapiens drückt sich in der Vielfalt kultureller Systeme aus.

Spirituelles Wissen

Wenn wir die Grenzen zwischen den Kulturen einmal außer Acht lassen – was im Bereich der Ideen und des Geistigen ja nicht allzu schwierig ist -, blicken wir auf ein immenses spirituelles Wissen und darauf basierende Techniken.
All das steht zur Verfügung, allerdings spricht nicht jeden alles in gleicher Weise an. Uns Westlern könnte das (lange Zeit unter Verschluss gehaltene) System der christlichen Meditation näherliegen. Möglicherweise fühlen wir uns auch zur Weltanschauung der Kelten und Germanen hingezogen. Vielleicht! Aber nicht zwingend! Yoga erfreut sich großer Beliebtheit, bietet neben körperlichen Übungen und Atemübungen auch Meditation und eine ausgefeilte Philosophie. Andere befassen sich mit dem indianischen Medizinrad oder interessieren sich für schamanische Praktiken.
Wie auch immer. Es gilt, ins Tun zu kommen, sich auf die Fülle einzulassen und auszuprobieren.