Es sind besondere Kunden, denen der Buchhändler Carl Kollhoff ihre bestellten Bücher nach Hause bringt, abends nach Geschäftsschluss, auf seinem Spaziergang durch die pittoresken Gassen der Stadt. Diese Menschen sind für ihn fast wie Freunde, und er ist ihre wichtigste Verbindung zur Welt. Als Carl ein großer Schicksalsschlag widerfährt, stellt sich die Frage, ob er durch die Macht der Bücher und mit Hilfe eines ebenso klugen wie vorlauten neunjährigen Mädchens sein Glück wiederfinden kann. (Klappentext)
Meine Meinung kurz und knapp
Wer die magische Wirkung von Büchern kennt, ist bereits vom Titel des Buches fasziniert. Den Leser erwartet auch tatsächlich eine Geschichte, in der es um die Macht von Büchern und ganz besonders um die Macht des richtigen Buches geht. Aber da ist noch viel mehr.
Neugierig begleitet der Leser den introvertierten Carl Kollhoff auf seinen Gängen zu Menschen, die von ihm ihre bestellten Bücher beziehen und durch ihn mit der Realität verbunden sind. Das fest umrissene Universum des Buchspazierers und seiner besonderen Kunden gibt allen Beteiligten Sicherheit.
Doch von dem Moment an, in dem sich die neunjährige Sascha Carl bei einem seiner abendlichen Spaziergänge aufdrängt, beginnen die Dinge sich zu ändern. Um ihn herum entspinnt sich allmählich ein Geflecht aus Ereignissen, Abläufen und Verstrickungen, das dazu führt, dass Menschen Lebensentwürfe überdenken und etwas Neues wagen.
Als Carl Schlimmes widerfährt und es ihm so vorkommen muss, als wäre er alleine auf der Welt, zieht er sich zutiefst enttäuscht und seiner Grundfesten beraubt zurück. Am Ende holt Sascha ihn mit der Unterstützung seiner Kunden, der Gemeinschaft der Buchliebhaber, in ein neues altes Leben zurück.
Als störend empfand ich den ständigen Wechsel der Erzählperspektive. Doch die Dichte der Erzählung und der Charme der Geschichte trösteten mich schnell darüber hinweg.
Es wunderte Carl oft, dass sich das Wetter in Romanen nach den Launen der Protagonisten richtete. Dem Wetter in der Stadt war seine Stimmung egal. Er war voller Tatendrang, aber der Himmel hatte sich in schmutziges Grau gekleidet, und die wenigen Tropfen, die aus verquollenen Wolken fielen, waren treffsicher. Er schlug den Jackenkragen hoch, denn für seinen Regenschirm waren es noch nicht genug. Nur ein paar mehr, und er hätte dessen Aufspannen rechtfertigen können. Es war also eine hundsgemeine Menge Regen. (S. 125)
Manche Menschen konnten nicht mehr essen, wenn sie traurig waren. Carl konnte am nächsten Tag nichts mehr lesen (…) Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals einen völlig unbelesenen Tag erlebt zu haben, seit er gelernt hatte, in der Aneinanderreihung von Buchstaben Wörter zu erkennen. Aber Lesen war eine Tätigkeit, die einen eigenen Willen hatte. Man konnte sie nicht erzwingen. (S. 145)
© Carolin Olivares, Lektorat Carolin Olivares