Im Frühjahr 1947 hüpft die Buchhändlerin Emilie Reber von einem Linienschiff auf den Landungssteg einer Kleinstadt am Bodensee. Zurückgekehrt aus der Résistance, eröffnet sie mit französischer Hilfe eine Leihbibliothek und macht sich daran, die gesellschaftlichen Verkrustungen der Nachkriegszeit mit Literatur aufzubrechen. Kein leichtes Unterfangen, wollen doch die Kleinstädter Ruhe, vergessen und schon gar nicht, dass jemand in ihren Wunden stochert. Vorerst legt sich die Buchhändlerin alleine mit dem Städtchen und den Altnazis an, bis sie zwei Freundinnen und Mitstreiterinnen findet. Gemeinsam mit einem Kunden der Buchhandlung stemmen sich die drei Frauen dem eisigen Schweigen mit Literatur, Mode und Musik entgegen. Mit Mut, Beharrlichkeit und Lebenshunger behaupten sie gegen alle Widerstände ihr eigenes Leben. (Klappentext)
Meine Gedanken dazu
Der Klappentext versprach eine recht rasante Geschichte aus einer Zeit, die mich interessiert – und ich wurde nicht enttäuscht. Die vielfältigen Brüche im Deutschland der Nachkriegszeit bilden den Hintergrund für die individuelle Entwicklung und Entfaltung der Protagonisten.
Mit das Schönste am Lesen ist ja bekanntlich das Abtauchen in fremde Welten und Lebenszusammenhänge. Je nach Befindlichkeit und Interesse des Lesers kann eine Geschichte auf die eine oder andere Art wahrgenommen werden. Einige Aspekte treten hervor, während andere verblassen. Es wird in eine bestimmte Richtung gelesen. Die spezifischen Assoziationen des Lesers machen aus der Lektüre ein ganz eigenes Erlebnis.
Mich fesselte vor allem der Gedanke, dass ein Teil der Bestände der Deutschen Freiheitsbibliothek, die 1934 in Paris von deutschen Exilanten gegründet wurde, gerettet werden konnte. Diese Vorstellung hat mich geradezu überwältigt. Meines Wissens ist die Sammlung von Werken, die im Deutschen Reich verbrannt oder verboten waren, sowie weiterer Schriften gegen den Faschismus bei Kriegsbeginn verloren gegangen. Aber – was wäre, wenn …?
Außerdem gesellte ich mich – bildlich gesprochen – sofort zu den drei Frauen, die sich geradezu leidenschaftlich, jede auf ihre ganz eigene Art und Weise, gegen die Zwänge der Zeit und das beharrliche Schweigen stemmten. Die Prozesse der Selbstfindung waren durchaus überdimensioniert und sehr verdichtet, was natürlich erlaubt ist. Immerhin befinden wir uns im Bereich der literarischen Fiktion! Das Lesevergnügen wird dadurch nicht geschmälert, die Botschaft hingegen geschärft.
Insbesondere die Hauptfigur, Emilie Reber, ehemalige Mitarbeiterin der Freiheitsbibliothek und Widerstandskämpferin, zog mich in ihren Bann. Emilies Kampf gegen das Vergessen, Verleugnen und Totschweigen faszinierte mich vor allem wegen der Wahl ihrer Waffen. Bücher! Sofort stellte ich sie in eine Reihe mit meinen Heldinnen aus der Anfangszeit des Buch-, Verlags- und Bibliothekswesens nach dem Krieg: Astrid Lindgren, Cecilie Dressler, Jella Lepman …
Wie gesagt, die ganz eigenen Assoziationen sind die Würze einer jeden Lektüre.